Nachdem ich durch eine Facebook Gruppe auf den Artikel von Susi aufmerksam wurde, musste ich ein wenig nachdenken.
Es war natürlich ein kleines Abenteuer diese Reise ganz alleine anzutreten. Ach was alleine… sehen wir es mal wie es ist. Zumindest auf dem Camino Francés im Mai/Juni ist es schwer immer alleine zu sein. Ich bin aber viele Streckenabschnitte recht alleine gegangen, weil mein Tempo oft anders war als das meiner Mitpilger und ich gut mit mir alleine sein kann. Dann traf man sich halt in Tienda oder Herberge wieder. Ich hätte es auch nicht anders gewollt. So konnte ich in Ruhe meine Fotos machen und Blumen pflücken. Ich hatte auch ab und an ein Einzelzimmer, dessen Ruhe ich sehr genoss. Egal wie sehr ich einige Menschen mag, wenn es zu viele und zu lange Zeit ist, dann empfinde ich es meistens als anstrengend. Und nach 3 Nächten ohne Schlaf wird man recht agressiv gegenüber Schnarchern. Auch wenn ich selber einer bin 🙂 Was ich am meisten genossen habe ist die Auszeit. Ich besitze kein Smartphone und habe daher kaum nach Hause kommuniziert. Der Tagesablauf war geregelt aber simpel und man kam mit wenig aus. Dazu kam die körperliche Herausforderung sein Hab und Gut mit sich tragen zu müssen und trotzdem ordentliche Strecken zu gehen. Schön ist es natürlich auch wenn man wie ich keinen Zeitdruck hat. Man war einfach wieder näher bei sich selbst.
Getroffen habe ich einige Menschen, die mit geführten Gruppen gewandert sind oder welche, die zwar alleine gingen aber immer in Einzelzimmern genächtigt haben. Alle waren Pilger und wir hatten sehr nette Gespräche. Die Motivation zu Pilgern ist auch sehr unterschiedlich. Über meine eigene schrieb ich ja hier schon einmal. Ich traf Menschen mit Problemen, Menschen, die wie ich ein wenig aus ihrer Komfortzone ausbrechen wollten, Menschen in Glaubenskrisen und Menschen, die einfach gerne wandern und reisen. Darüber hinaus eine Menge Nationen, die wohl früher nie auf diesem Weg zu finden gewesen wären.
Die Infrastruktur der großen Caminos in Spanien und Portugal ist mittlerweile so gut und die Reiseführer so ausführlich, dass Verlaufen und Verhungern wohl unmöglich sind. Ich fand es keine große Herausforderung an einen Schlafplatz, Essen und Trinken zu gelangen. Ich habe sogar einige male spontan mein Tagesziel geändert und bin einfach dort geblieben wo es mir gefiel oder doch noch ein Stückel weiter gegangen. Wer festgelegte Etappen hat, dem können 3 Dinge passieren. Entweder sie sind gut bemessen, man schafft sie zu leicht oder sie fordern einen richtig. Das hat natürlich alles seine Vor- und Nachteile… der eine fühlt sich nicht ausgelastet und der andere überfordert. Ich geh selber gerne mal über mich hinaus aber an manchen Tagen fehlt einem irgenwie der richtige Laufrythmus. Aber jeder konnte mal für sich gehen auch wenn es eine Gruppe gab.
Im Mittelalter hatte das Pilgern wieder andere Intentionen. Man dachte dass man käme für seine Sünden in die Hölle käme. Einige waren sogar Straftäter und sollten Buße tun. Wohlhabende Pilger waren auch nicht auf die Pilgerhospitäler und kirchlichen Einrichtungen angewiesen und sind bestimmt nicht den ganzen Weg gegangen ohne sich einen gewissen Luxus zu gönnen. Sonst hätte es den regen Geldverkehr mit den Kreuzrittern nicht gegeben. Diese Menschen konnten sich Pferde und Packtiere leisten. Aber Manche waren einfach auf die Spende angewiesen und froh um eine dünne Suppe mit altbackenem Brot am Abend und einen wettergeschützten Schlafplatz. Aus Gründen der Sicherheit wurde in Gruppen gepilgert und die Ausrüstung war alles andere als als Komfortabel im Vergleich zur heutigen. Der Weg war damals Lebensgefährlich und nicht jeder Pilger kam an seinem Ziel an und man war gezwungen direkt vor der Haustür zu starten.
Heute sind es oft sportliche Gründe und Selbstfindung. Seltener ist es der Glaube, der einen auf den Weg zieht auch wenn Spiritualität oft als Beweggrund angegeben wird. Die Heilsamkeit liegt eher in einem Weg aus Lebenskrisen und nicht mehr als Ausweg aus der biblischen Hölle. Man kann also sagen im Laufe der Zeit hat sich die Bedeutung von Pilgern sehr geändert.
Der große Weg ist mittlerweile in meinen Augen sehr kommerzialisiert und z.T. überlaufen. Das ist sehr schade und ein Grund mir Alternativen zu suchen auch wenn der Portugues und der Ingles noch auf meiner Liste stehen. Dieses Jahr wird es selbst bei mir nicht die geplante Via Regia werden, sondern eventuell der Rothaarsteig. Ich möchte Ruhe, Bewegung und in mich gehen. Aber auf diesem Weg gibt es keine Kirchen oder Kapellen. Also zählt es wohl für manche nicht als Pilgern. Wenn ich aber die Rund 7 km zu dem nahe gelegenen Walfahrtskloster gehe, bin ich dann ein Pilger obwohl ich kaum Mühe auf mich nehmen muss? Wer kann also beurteilen was das Pilgern wirklich ausmacht?